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Bürgerschaft

[Kinder] werden tendenziell entweder als Bürger ignoriert oder in erwachsenenzentrierter Weise als Bürger der Zukunft betrachtet statt der Gegenwart.Brian Howe

Die vielfältigen Dimensionen heutiger Bürgerschaft

Die vielfältigen Dimensionen heutiger Bürgerschaft

Rein juristisch betrachtet sind Bürgerinnen und Bürger die Bevölkerung eines Staates, in dem die bürgerlichen und politischen Rechte der Menschen gesetzlich geschützt sind. Die Menschen wiederum sind diesem Staat gegenüber verpflichtet, die Gesetze zu befolgen, zu den Gemeinkosten beizutragen und gegebenenfalls das Land gegen Angriffe zu verteidigen. Bürgerschaft ist etwas anderes als Nationalität oder ethnische Zugehörigkeit – die beiden letzteren Begriffe stehen in diesem Kontext für die Einteilung nach Kultur- und Sprachgemeinschaften. In den meisten europäischen Staaten gehören Bevölkerungsgruppen unterschiedlichen Nationalitäten an. Während der Staat eine politische und geopolitische Einheit ist, stellt die Nation eine kulturelle und/oder ethnische Einheit dar. Bürgerschaft bezieht sich auf einen Staat und hängt nicht von der Staatsangehörigkeit ab.

Heute ist Bürgerschaft mehr als eine einfache rechtliche Beziehung zwischen den Menschen und dem Staat. Sie umfasst nach heutigem Verständnis nicht nur eine rechtliche Dimension, die auf bürgerliche und politische Rechte und Verpflichtungen verweist, sondern außerdem eine psychologische und soziale Dimension. Bürger oder Bürgerin zu sein gehört zur Identität, denn Menschen kümmern sich um ihre Gemeinschaft, weil sie ein Teil davon sind, und sie erwarten von den anderen, dass auch sie sich darum kümmern und mit ihnen zusammen für das Gemeinwohl aller eintreten.

In diesem umfassenderen Sinn ist Bürgerschaft nicht nur ein Sozialisationsprozess. Sie beinhaltet Gefühle der Identität und Zugehörigkeit, Eingliederung, Beteiligung und soziales Engagement. Als Mitglieder des Gemeinwesens können Bürgerinnen und Bürger dieses beeinflussen, seine Entwicklung mitgestalten und zum Gemeinwohl beitragen. Somit sind sie sowohl „Empfänger“ von Rechten und Pflichten als auch „Akteure“, die innerhalb einer Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, partizipieren. Die so verstandenen Bürgerinnen und Bürger sind gleich an Würde.

FRAGE: Welche Möglichkeiten haben Bürgerinnen und Bürger, abgesehen von Wahlen, sich einzubringen und mitzureden? Wie kann man sie ermuntern, sich zu beteiligen?

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Konzepte von Bürgerschaft

Konzepte von Bürgerschaft

Die vielfältigen Dimensionen von Bürgerschaft lassen sich anhand der historischen Entwicklung ihrer Idee deutlich machen.

Eines der ersten Konzepte von Bürgerschaft reicht bis in die Stadtstaaten der griechischen Antike zurück. „Bürger“ waren damals diejenigen, die ein gesetzliches Mitspracherecht in Angelegenheiten des Staates hatten. Doch war nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung Bürger: Sklaven und Frauen waren lediglich Untertanen und Fremde waren samt und sonders ausgeschlossen. Für jene freien Männer, die den privilegierten Status eines Bürgers genossen, war die Idee der „bürgerlichen Tugend“, nämlich ein „guter“ Bürger zu sein, ein hoher Wert. Damit lag die Betonung vor allem auf den Pflichten, die den Bürgern durch ihre Bürgerschaft auferlegt war.

Die gedankliche Verknüpfung zwischen Bürgerschaft und nationaler Identität kam im neunzehnten Jahrhundert auf, als überall in Europa Nationalstaaten entstanden und der Rechtsstatus des „Bürgers“ oft an einen Nationalstaat gebunden war, selbst wenn mehrere ethnische Gruppen auf dessen Territorium lebten. In dieser Phase wurde die Verbindung zwischen Bürgerschaft und Patriotismus enger. Die liberale Auffassung von Bürgerschaft, die mit der französischen Revolution aufkam, betonte die universellen Bürgerrechte und das Bekenntnis zu einer Verfassung stärker als die Volkszugehörigkeit. Mit der Ausweitung des Wahlrechts wurden auch Gerechtigkeit und politische Rechte für immer mehr Menschen verwirklicht. Im 20. Jahrhundert gingen die BefürworterInnen der „sozialen Bürgerschaft“ weiter, indem sie postulierten, dass der Staat den Bürgerinnen und Bürgern die Ausübung ihrer bürgerlichen und politischen Rechte aktiv ermöglichen sollte. Das Aufkommen des Sozialstaats im letzten Jahrhundert war zu einem großen Teil das Verdienst von Theoretikerinnen und Theoretikern, die argumentierten, dass Bürgerrechte auch die persönlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen umfassen sollten. Heute hat Bürgerschaft verschiedene Bedeutungen, die einander bedingen und ergänzen. „Aktive Bürgerschaft“ heißt unter anderem, sich mittels wirtschaftlicher Beteiligung, öffentlicher Dienstleistungen, ehrenamtlicher Tätigkeit und ähnlicher Bemühungen für die eigene Gemeinschaft zu engagieren, um das Leben all ihrer Mitglieder zu verbessern.

Europäische Bürgerschaft wird sehr unterschiedlich verstanden. Im Maastricht-Vertrag der Europäischen Union heißt es, dass Bürgerinnen und Bürger von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) immer mehr Rechte und Verpflichtungen gegenüber der Union insgesamt haben, ebenso wie gegenüber ihren eigenen Staaten. Zu den Rechten, die den EU-BürgerInnen garantiert werden, gehören Freizügigkeit, das Recht, sich auf dem Territorium der Mitgliedsstaaten anzusiedeln, sowie das aktive und passive Wahlrecht für das Europäische Parlament. Dennoch kann man heute nicht in derselben Weise von einer „europäischen Gesellschaft“ sprechen, wie man etwa von der griechischen oder der tschechischen Gesellschaft spricht.

Europäische Bürgerschaft heute liegt irgendwo zwischen greifbarer Realität und fernem Ideal. „Das ideale Verständnis von europäischer Bürgerschaft basiert auf den Werten Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit.“1 Dieses bedeutet vor allem auch die Bindung an vielfältige Wertesysteme: die Menschenrechte, eine Staatsangehörigkeit, eine Ethnie, ein örtliches Gemeinwesen, eine Familie, eine ideologische Gruppe usw. Dieses vielfältige und dynamische System der Zugehörigkeit, das mit der europäischen Bürgerschaft einhergeht, steht nationaler Identität nicht entgegen, sondern ist integrativ und funktioniert auf lokaler Ebene.

„Weltbürgerschaft“ ist ein neuerer Begriff, der aus der Vorstellung entstanden ist, dass jeder Mensch Bürgerin oder Bürger der Erde ist. Im rechtlichen Sinne jedoch gibt es so etwas wie einen Weltbürger nicht. „Weltbürgerschaft bedeutet zu verstehen, dass Ungerechtigkeit und Ungleichheit bekämpft werden müssen, und den Willen und die Fähigkeit zu haben, sich aktiv dafür einzusetzen. Es geht um die Wertschätzung der Erde als kostbar und einzigartig, und darum, die Zukunft für jene zu bewahren, die nach uns kommen. Weltbürgerschaft passt gut zu jedem anderen Konzept von Bürgerschaft; sie ist eine Denkweise und die Verpflichtung, etwas zu verändern.“ 2

Da die Begriffe „Bürger / in“ und „Bürgerschaft“ vielfältig interpretierbar sind und das Konzept des Nationalstaats in einem multikulturellen Europa nicht unbedingt relevant ist, bezeichnet der Europarat mit dem Begriff „BürgerIn“ eine „in einer Gesellschaft lebende und daran partizipierende Person“. Statt mit dem „Nationalstaat“ wird das lokale, regionale und internationale Lebensumfeld einer Person am besten mit dem Begriff „Gemeinwesen“ beschrieben.

FRAGE:Was verstehen Sie persönlich unter Bürgerschaft? Welche Kriterien sollten in einer zunehmend mobilen und multikulturellen Welt für die Bürgerschaft gelten? Wer in Ihrer Gesellschaft sollte keine Rechte als Bürger bzw. Bürgerin haben?

Die meisten Menschen stellen sich heute unter Bürgerschaft etwas vor, das – obschon in unterschiedlichen Anteilen – Elemente all dieser Konzepte enthält. Manche betonen die „verpflichtenden“ Elemente der Bürgerschaft, andere dagegen räumen den „Rechten“ einen höheren Stellenwert ein. Für manche stehen Patriotismus und die Beziehung zu einem einzigen Staat an erster Stelle, andere dagegen verstehen Bürgerschaft in einem umfassenderen Sinn.

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Kinder als Bürgerinnen und Bürger

Kinder als Bürgerinnen und Bürger

In vielen Ländern galten Kinder früher nach dem Gesetz als Eigentum ihrer Eltern. Auch wenn die Patria Potestas, die dem Vater alle Rechte über seine Kinder einräumte – unter anderem auch über deren Leben und Tod –, längst der Vergangenheit angehört, so haben in manchen Ländern Reste dieser traditionellen Machtposition überdauert. Nach traditioneller Auffassung sind Kinder „Nicht-Bürger“ oder „Vor-Bürger“ einer Gesellschaft.

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes anerkennt zwar das Sorge- und Erziehungsrecht der Eltern für ihre Kinder sowie ihr Recht, die Kinder zu vertreten (Artikel 5 und 18), führt aber auch das Prinzip des Kindeswohls ein, das den elterlichen Rechten im Interesse ihrer Kinder Grenzen setzt (Artikel 3).

Obwohl Kinder nach dem Gesetz qua Geburt oder Einwanderung Bürgerinnen und Bürger sind, werden sie, so der kanadische Kinderrechtsanwalt Brian Howe, oft weder als Bürger anerkannt noch als solche behandelt. „Sie werden tendenziell entweder als Bürger ignoriert oder in erwachsenenzentrierter Weise als Bürger der Zukunft betrachtet statt der Gegenwart.“3 Diese Einstellung führt Howe vor allem auf zwei Gründe zurück: die wirtschaftliche Abhängigkeit von Kindern und ihre psychische Unreife. Er verweist darauf, dass anderen wirtschaftlich abhängigen Gruppen, wie zum Beispiel nicht berufstätigen Eltern, Rentnerinnen und Rentnern, Studierenden oder Erwachsenen mit Behinderung die Bürgerschaft nicht verwehrt wird. Er schließt daraus, dass Kinder ein Recht auf Bürgerschaft haben, denn „Bürgerschaft bedeutet Teilhabe, nicht wirtschaftliche Unabhängigkeit“.

FRAGE: Sind Kinder wirklich Bürger? Oder sind sie nur „Vor-Bürger“ oder Bürger der Zukunft?

Tatsächlich haben Kinder nicht dieselbe Reife wie Erwachsene. Doch Entwicklung ist ein fortwährender, lebenslanger Prozess und die kognitive Entwicklung von Kindern macht Fortschritte, wenn man ihnen Respekt entgegenbringt und sie altersgemäße Möglichkeiten der Autonomie und Mitsprache als Bürgerinnen und Bürger erhalten. Nationalen Gesetzen und der AEMR entsprechend haben Kinder ähnliche Rechte und Pflichten wie Erwachsene. Auch ihnen ist – in Abstufung – eine Bürgerschaft möglich: In der KRK werden die Bedürfnisse  von Kindern im Hinblick auf besonderen Schutz, (z.B. vor Misshandlung, Vernachlässigung, wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung), auf Versorgung (z.B. die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie medizinische Betreuung, Sozialleistungen oder einen guten Lebensstandard, außerdem das Recht auf einen Namen, die eigene Identität und Staatsangehörigkeit) sowie auf Mitsprache bei allen sie betreffenden Entscheidungen anerkannt. Diese Rechte und ebenso die Verpflichtungen des Kindes als Bürger müssen im Einklang mit den sich entwickelnden Fähigkeiten des Kindes wahrgenommen werden. Ebenso wie Erwachsene müssen Kinder die Rechte anderer respektieren und die Gesetze achten, aber der Grad ihrer Verantwortung und rechtlichen Verantwortlichkeit ist je nach Alter unterschiedlich. Zur Anwendung dieses Prinzips auf das Recht auf Partizipation siehe Thema Gewalt.

FRAGE: Welche Formen der Bürgerbeteiligung sind für Kinder möglich und angemessen?

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Herausforderung für die Bürgerschaft

Herausforderung für die Bürgerschaft

In Europa gibt es heute mehrere soziale Phänomene, die das traditionelle Modell der Bürgerschaft auf die Probe stellen. Mancherorts wird die Entstehung neuer Formen der Bürgerschaft durch ethnische Konflikte und wachsenden Nationalismus blockiert. Darüber hinaus werden weit verbreitete Vorstellungen von Bürgerschaft durch die derzeit starken Migrationsbewegungen in Frage gestellt. Das neue Selbstbewusstsein einiger ethnischer Minderheiten, das Verlangen nach mehr persönlicher Autonomie und neue Formen der Gleichberechtigung machen es schwierig, Bürgerschaft zu verstehen. Das Abnehmen des sozialen Zusammenhalts und der Solidarität unter den Menschen und steigendes Misstrauen gegenüber herkömmlichen politischen Institutionen erfordern ständiges Umdenken und machen demokratiepolitische Bildung zu einer wichtigen Aufgabe.

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Demokratiepolitische Bildung

Demokratiepolitische Bildung

Demokratiepolitische Bildung soll sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche aktive und verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger werden, die in der Lage und bereit sind, zum Wohlergehen der Gesellschaft, in der sie leben, beizutragen. Die drei Ziele der demokratiepolitischen Bildung sind 1) Vermittlung politischer Kenntnisse: Wissen über politische und zivilgesellschaftliche Institutionen und soziale Probleme; 2) Entwicklung notwendiger Fähigkeiten und Fertigkeiten, wie zum Beispiel kritisches Denken, Zusammenarbeit und aktives Zuhören; und 3) Förderung von Werten und Einstellungen, die in aktive Mitsprache und Engagement im gemeinschaftlichen Leben münden. Bei diesem komplexen Ansatz wird demokratiepolitische Bildung von der herkömmlichen politischen Bildung unterschieden, die sich auf die Wissensvermittlung konzentriert und deren Hauptaugenmerk auf Loyalität und Verpflichtungen liegt. Der Europarat betreibt seit 1997 ein Projekt zur demokratiepolitischen Bildung. Dort werden Analysen und politische Richtlinien zum Thema erarbeitet sowie Unterrichtsmaterialien und positive Beispiele aus der Praxis gesammelt. 2002 verabschiedete das Ministerkomitee des Europarats eine Empfehlung, in der die Regierungen aufgerufen werden, der demokratiepolitischen Bildung in ihren bildungspolitischen Reformen Vorrang einzuräumen.4

Ein besonderes Augenmerk liegt heute darauf, die Partizipation von Kindern durch Mitsprachemöglichkeiten bei ihrem eigenen Bildungsprozess zu stärken. Unter dem Titel „Building a Europe for and with Children“ hat der Europarat für die Jahre 2006 bis 2008 ein Programm zur Förderung der Kinderrechte und zum Schutz von Kindern vor Gewalt ins Leben gerufen.

Der beste Weg, um Kindern aktive Bürgerschaft zu vermitteln, besteht darin, ihnen in ihrem direkten Umfeld praktische Erfahrungsmöglichkeiten mit aktiver Partizipation zu verschaffen. Sie können ihre Rechte und Pflichten kennenlernen und es genießen, bei Entscheidungen zu Hause, in der Schule, in Vereinen und lokalen Organisationen mitreden zu können. In diesen Rollen erfahren sie auch vielfältige Zugehörigkeit und die Komplexität und Dynamik von Bürgerschaft.

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Relevante Menschenrechtsinstrumente

Europarat

Die Empfehlung Rec (2002)12 des Ministerkomitees zur demokratischen Bildung bekräftigt, „dass die demokratische Bildung eine Grundlage für die Hauptaufgabe des Europarates – eine freie, tolerante und gerechte Gesellschaft zu fördern – darstellt“. Der Europarat betrachtet die reiche kulturelle Vielfalt Europas als wertvolles Gut, das auf einem gemeinsamen Verständnis der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie beruht. Der Europarat versteht Bürgerschaft in einem sehr umfassenden Sinn: „[Der] Begriff „BürgerIn“ [kann] im weitesten Sinn als ‚eine in einer Gesellschaft lebende und daran partizipierende Person‘ beschrieben werden.“ … „Da der Nationalstaat jedoch nicht länger der einzige zentrale Akteur ist, muss der Begriff aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet werden.“ Bürgerschaft bezieht sich „auf Rechte und Pflichten, aber auch auf Werte wie Gleichberechtigung, Vielfalt und soziale Gerechtigkeit. … [Sie] muss auch alle Handlungen einschließen, die das Leben der (lokalen, nationalen, regionalen und internationalen) Gemeinschaft betreffen …“5

In mehreren Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention werden Rechte garantiert, die sich auf die Ausübung wirksamer Bürgerschaft beziehen: die Rechte auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5), Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Artikel 9), Freiheit der Meinungsäußerung (Artikel 10), Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Artikel 11) oder das Recht auf Bildung (Artikel 2 des Zusatzprotokolls Nr. 1). Im Europäischen Kulturabkommen heißt es in Artikel 1: „Jede Vertragspartei trifft geeignete Maßnahmen zum Schutz und zur Mehrung ihres Beitrags zum gemeinsamen kulturellen Erbe Europas.“

Vereinte Nationen

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte kommt das Wort „Bürger“ oder „Bürgerschaft“ nicht vor, wohl aber die „Staatsangehörigkeit“ einer Person. In Artikel 15 heißt es: „Jeder hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit“ und dass niemandem seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen werden darf. Festgelegt wird auch, dass jeder Mensch das Recht hat, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln. In Artikel 29 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird außerdem deutlich, dass das Recht auf Bürgerschaft auch Pflichten umfasst und dass Bürgerschaft nicht nur ein Rechtsstatus ist, sondern auch einen psychologischen und sozialen Wert darstellt: Jeder hat Pflichten gegenüber dem Gemeinwesen, in dem allein die freie und volle Entfaltung seiner Persönlichkeit möglich ist.

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes thematisiert auch die Staatsangehörigkeit und gewährleistet in Artikel 7 das Recht des Kindes auf eine Staatsangehörigkeit und Schutz vor Staatenlosigkeit. In Artikel 8 wird außerdem die Bedeutung der Staatsangehörigkeit für die Identität anerkannt und die Regierungen werden aufgefordert, „das Recht des Kindes zu achten, seine Identität, einschließlich seiner Staatsangehörigkeit … zu behalten“.

Das Verständnis von Bürgerschaft geht in der Kinderrechtskonvention erheblich über die rein rechtliche Bedeutung hinaus. Sie umfasst viele Rechte, die in früheren Menschenrechtsinstrumenten, etwa der Europäischen Menschenrechtskonvention und den beiden Pakten, für Erwachsene gewährleistet werden. Doch in der Kinderrechtskonvention wird eigens betont, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder das Recht haben, an allen Aspekten des Lebens der Gemeinschaft teilzunehmen, und dass dies ein unverzichtbarer Aspekt ihrer Bürgerschaft ist:

  • Artikel 9: an Verfahren über die Vormundschaft oder das Sorgerecht für die Kinder teilzunehmen
  • Artikel 12: bei allen „das Kind berührenden Entscheidungen“ mitzureden
  • Artikel 13: die eigene Meinung zu äußern, sich Informationen zu beschaffen und Informationen weiterzugeben
  • Artikel 14: Ansichten über Gedanken, Gewissen und Religion zu bekunden
  • Artikel 15: sich frei mit anderen zusammenzuschließen
  • Artikel 23: das Recht eines Kindes mit Behinderung, „aktiv am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen“
  • Artikel 30: das Recht von Kindern, die Minderheiten oder einem Volk von Ureinwohnern angehören, an der Gemeinschaft ihrer eigenen Gruppe ebenso teilzunehmen wie an der Mehrheitsgesellschaft
  • Artikel 31: freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben Siehe auch Thema Gewalt

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Nützliche Websites

Nützliche Websites

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1 Under construction, Citizenship, Youth and Europe, T-kit No 7. Europarat 2003, S. 34
2 Global Citizenship, Cool Planet for Teachers: www.oxfam.org.uk/coolplanet/teachers/globciti/index.htm
3 Howe, Brian, Citizenship Education for Child Citizens, Canadian and International Education Journal, Band 34, Nr. l: 2005,S. 44
4 Empfehlung Nr. 12 / 2002 des Minister komitees an die Mitgliedsstaaten zur demokratischen Bildung
5 O’Shea, Karen, Glossar zur demokratiepolitischen Bildung. Der Weg zu einem gemeinsamen Verständnis. Council of Europe,GDIV/ EDU / CIT (2003)29, auf Deutsch herausgegeben vom Österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaftund Kultur, Abteilung Politische Bildung und Umweltbildung, Minoritenplatz 5, A–1014 Wien. www.politische-bildung.at/index.php?url=glossar&modul=glossar&what=suchergebnisse&TITEL=Glossar&&st=B